Im Leben einer Schulleiterin gibt es Momente, die stärker prägen, als wir es uns jemals vorstellen können. Für Frau Meyer* – frisch im Amt als Schulleiterin einer traditionsreichen beruflichen Schule – war genau so ein Moment gekommen, als sie auf eine “Schattenkraft” stieß, die ihren Führungsstil infrage stellte und das Kollegium verunsicherte. Ihr Gegenspieler: der stellvertretene Schulleiter, Herr Müller*, der sich als „graue Eminenz“ im Hintergrund positioniert hatte. In einem Coaching-Prozess konnte ein Weg gefunden werden, diese Herausforderung zu meistern – und eine neue Form der Führung zu etablieren.

Die Ausgangssituation: “Ich bin der bessere Schulleiter”

Frau Meyer kam ins Coaching mit einer Mischung aus Frustration und Entschlossenheit. „Ich spüre, dass ich nicht richtig durchdringe“, erklärte sie. „Es gibt unterschwellige Spannungen im Team, und oft habe ich das Gefühl, dass Entscheidungen, die ich treffe, hinter meinem Rücken kritisiert werden.“ Schnell stellte sich heraus, dass Herr Müller erheblichen Einfluss auf das Kollegium ausübte und KollegInnen um sich versammelt hatte, die allerorten die Maßnahmen der neuen Schulleiterin infrage stellten. Direkt auf seine “Mikropolitik” angesprochen, positionierte er sich als “guten Geist der Schule”, der immer auf Seiten der Schulleitung, der er selbst ja angehörte, gestanden hätte. So kam Frau Meyer offenbar nicht weiter. Zudem wuchs ihre Unsicherheit, weil sie spürte, dass die hinter ihrem Rücken geäußerte Kritik an ihrem Führungsstil Wirkung zeigte.

Dieses Szenario ist in Organisationen kein Einzelfall: Eine ausgeschiedene Führungsfigur (der ehemalige Schulleiter) hinterlässt oft ein Vakuum, um dessen Füllung u. U. – wie in diesem Fall – konkurriert wird, und die Loyalität zur neuen Führungskraft untergräbt. Doch wie kann eine neue Führungskraft damit umgehen, ohne in eine offene Konfrontation zu geraten?

Der Coachingprozess 1: Analyse

Analyse der Dynamik
Zu Beginn des Coachings ist es wichtig, die Situation genau zu analysieren:

  • Wer sind die Schlüsselpersonen? Wer unterstützt Frau Meyer bereits, und wer zeigt sich besonders loyal gegenüber Herrn Müller?
  • Welche Kommunikationsmuster gibt es? Wie erzielt Herr Müller seine Wirkung?
  • Wie positioniert sich Frau Meyer selbst? Ihr Führungsstil war noch von Zurückhaltung geprägt, da sie zunächst Vertrauen aufbauen wollte.

Der Coachingprozess 2: Führung und die eigene Haltung

Reflexion der eigenen Haltung
Ein bedeutender Wendepunkt im Coaching ist nach der Analyse erfahrungsgemäß das Nachdenken über die Frage, wie der Coachee seine Situation noch verschärfen könnte. Ein Ergebnis der Reflexion darüber war die Erkenntnis, dass Frau Meyer das „Spiel der grauen Eminenz“ unbewusst mitspielte, indem sie ihre Unsicherheiten nicht offen ansprach. Im folgenden ging es dann um die Frage des eigenen Rollenverständnisses: „Was für eine Art von Führungskraft möchte ich sein, und wie möchte ich gesehen werden?“ Die aus diesen Überlegungen abgeleitete Klarheit gab ihr die Grundlage, selbstbewusster aufzutreten.

Der Coachingprozess 3: Führung ist Kommunikation


Im nächsten Schritt ist es wichtig, konkrete Strategien zu entwickeln, um die Kommunikation im Kollegium zu verbessern:

Transparenz
Frau Meyer veränderte die wöchentlichen Leitungssitzungen in der Gestaltung und im Ablauf. Entscheidungen und Hintergründe dazu wurden offen diskutiert.

Einladung zum Dialog
Sie suchte das persönliche Gespräch mit Herrn Müller und bereitete dies akribisch mit ihrem Coach vor. Dabei ging es nicht um Konfrontation, sondern um einen respektvollen Austausch, bei dem sie seine Verdienste anerkannte und gleichzeitig klar machte, dass sie ihn für ihre Führungsarbeit gewinnen wolle.

Netzwerk stärken
Indem sie gezielt auf UnterstützerInnen im Kollegium zuging und sich offen für konstruktive Kritik zeigte, konnte sie mehr und mehr die Loyalität der meisten KollegInnen erlangen.

Umgang mit Widerstand
Ein zentrales Thema war i.d.Z. natürlich der Umgang mit latentem Widerstand. Hier halfen Methoden aus der hypnosystemischen Beratung: Statt die Konflikte zu „bekämpfen“, lernte Frau Meyer, den Widerstand als Zeichen für ungelöste Bedürfnisse (nicht nur von Herrn Müller!) zu sehen. Diese Perspektive eröffnete ihr neue Handlungsoptionen und half ihr, die Atmosphäre schrittweise zu entspannen.

Das Ergebnis: Führung mit neuer Stärke

Nach mehreren Coaching-Sitzungen zeigte sich eine deutliche Veränderung. Frau Meyer hatte nicht nur mehr Sicherheit in ihrer Rolle gefunden, sondern auch neue Wege im Umgang mit Herrn Müller etabliert. Anstatt ihn als Gegner zu sehen, erkannte sie, dass er mit seiner Erfahrung eine wertvolle Ressource sein konnte – solange sie die Führung behielt. So konnte sie aus dem versteckten Wettbewerb (win – loose) mit Herrn Müller aussteigen und  daraus ein Win-win machen, bei dem Herr Müller nach und nach seine Erfahrungen und Kenntnisse zum Wohle der Schule einsetzen konnte, ohne ständig in Konkurrenz zur neuen Schulleiterin zu agieren.

Das Kollegium spürte diese neue Klarheit, und die Loyalitäten begannen sich zu verschieben. Frau Meyer konnte ihre Vision für die Schule konsequenter umsetzen, ohne sich ständig mit dem Schatten der Vergangenheit auseinandersetzen zu müssen.

Lernen aus dem Konflikt: Drei Impulse für Führungskräfte

  1. Klare Positionierung: Es ist essenziell, von Anfang an eine klare Haltung zu entwickeln und diese auch zu kommunizieren. Unsicherheiten werden oft instinktiv wahrgenommen und können Spannungen verstärken.
  2. Respektvoller Umgang mit Vorgängern und Verlierern aus Bewerbungsverfahren: Die „grauen Eminenzen“ suchen oft Anerkennung für ihre Leistungen. Ein respektvoller Dialog kann Spannungen abbauen und neue Formen der Zusammenarbeit ermöglichen.
  3. Netzwerke aktiv gestalten: Unterstützer im Team zu identifizieren und zu stärken, ist ein Schlüssel, um Loyalitäten zu gewinnen und Widerstände zu überwinden.

Fazit: Führung ist ein Balanceakt

Dieser Coachingfall zeigt, wie wichtig es ist, sich in schwierigen Führungsphasen professionelle Unterstützung zu suchen. Konflikte mit „grauen Eminenzen“ mögen zunächst schwierig wirken, doch mit den richtigen Strategien können sie nicht nur gelöst, sondern auch in eine Chance zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung verwandelt werden.

*Die Namen wurden aus Gründen der Vertraulichkeit geändert.

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